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Remarketing – Fluch oder Segen?

Vor dem Einsatz von Remarketing lesen Sie bitte in der Gebrauchsinformation oder fragen Ihre Online-Marketing Expert/-innen.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünglich wollte ich den Artikel betiteln mit „Remarketing nervt, nervt, nervt“. Aber das wäre ungerecht gegenüber denjenigen, die das neue Mittel aus der Hexenküche des Online-Marketing sinnvoll einsetzen. Aber erst einmal zum Begriff selbst. Was ist eigentlich Remarketing, oft auch Retargeting genannt?

Sie kennen das sicher. Sie besuchen ein Online-Shop, das zum Beispiel Wohnungsinterieur anbietet. In den folgenden Tage fühlen Sie sich allerdings von diesem Online-Shop verfolgt. Egal, welche Website Sie besuchen, Sie sind laufend mit Werbebannern des Online-Shops zu dessen Produkten konfrontiert.

Um das zu erreichen, wird Ihnen beim Besuch des Shop unsichtbar (mit Hilfe von Cookies) ein Etikett aufgeklebt. Werbeprogramme wie Google AdWords können nun auf diversen Websites, die Sie in Folge besuchen und die auch AdWords Anzeigen ausgeben, dieses Etikett auslesen, und Ihnen die entsprechend programmierte Werbung zeigen.

Altes Leadgut: vom Lead zum No-Lead

Die Idee dahinter: die Online-Shop Besucherin wird alleine aufgrund ihres Website-Besuchs bereits als Lead eingestuft. Da kann es ja wohl nicht mehr schwer sein, aus ihr auch eine Kundin zu machen. Google etwa bewirbt Remarketing u.a. damit:

»Personen, die einen Tauchanzug kaufen möchten, besuchen einen Online-Shop, um sich über die verschiedenen Arten von Tauchanzügen zu informieren. Diese Kaufinteressenten könnten in die Liste »Website-Besucher« aufgenommen werden, um ihnen dann Anzeigen für ähnliche Produkte zu präsentieren, während sie auf anderen Websites surfen.

So könnte für diese Personen beispielsweise eine Anzeige mit einem speziellen Preisnachlass für Tauchanzüge geschaltet werden. Diese Anzeige könnte diese Personen zur Rückkehr auf die Website und zum Kauf eines Tauchanzugs bewegen.«

Klar. Webshop-Besucher sind wahrscheinlich gerade auf der Suche nach einem Produkt, dass sie erwerben wollen. In dieser heißen Phase ist eine erhöhte Aufmerksamkeit auf das beworbene Shop sinnvoll. Aber gilt das immer und überall?

„Ich weiß, auf welcher Website Du warst“

In der Praxis erleben Konsumenten bei Anwendung von Remarketing eine schrankenlose Konfrontation mit ideenlosen Werbebannern. Dazu zwei Beispiele.

Aus beruflichen Gründen muss ich immer wieder eine bestimmte Hotel-Website aufsuchen. Nach jedem Besuch sehe ich auf diversen anderen Websites beinahe ausschließlich und rund um die Uhr die AdWords-Anzeige dieses Hotels. Und vor einigen Wochen habe ich bei diesem Hotel online eine Buchung vorgenommen. Doch das hat nichts an der Situation geändert. Ich werde unverändert in großem Stil mit der ewiggleichen Werbung konfrontiert.

Sogar Google selbst scheint vor unvernünftigem Einsatz mit Remarketing nicht gefeit zu sein. Da ich für viele Kunden AdWords-Kampagnen betreue, ist es klar, dass ich mich immer wieder bei meinem AdWords-Konto anmelden muss. Nur um die folgenden Tage (daher also permanent) mit Werbung konfrontiert zu sein, die mich auffordert, doch einmal Google AdWords zu probieren.

Liebe Google-Leute: das nervt! Und verfehlt seinen Zweck. Da ich ja schon AdWords-Nutzer bin, wäre es nicht klüger, den wertvollen Werbeplatz anderweitig zu nutzen?

Monolog = Dialog?

In der Ausgabe Nr.01/Frühling 2013 des Magazins „update – Digital Marketing in Österreich“ sieht das der Geschäftsführer einer Digital-Marketing Agentur so:

„Re-Targeting ist auch kein klassisches Kampagnen-Marketing […], sondern sollte eigentlich als permanentes Tool zur Kundenansprache genutzt werden, um mit den Kunden in Dialog zu bleiben und Kundenbindung zu betreiben.“

Vielen Dank für diese klaren Worte. Das penetrante Abfeuern von Werbebannern auf alle, die es gewagt haben, ihren Cursor auf eine bestimmte Website zu setzen, ist also Dialog. Erhöht die Kundenbindung.

Das liest man in Wikipedia zum Begriff Dialog:

„Ein Dialog ist eine mündlich oder schriftlich zwischen zwei oder mehreren Personen geführte Rede und Gegenrede.“

Als Konsument habe ich bei Werbebannern zur Gegenrede keine Chance (außer ich halte mir die Ohren zu und greife zu Werbeblockern, was ich aber aus prinzipiellen Gründen ablehne). Und das wirkt sich auf meine Bindung an das werbende Unternehmen auch nicht gerade förderlich aus. Dabei wissen alle Werbeexperten doch ohnehin, dass ein übermäßiger Einsatz eines Werbemittels bei Konsumenten nicht gut ankommt.

Es geht auch anders – anders geht es

Dabei wäre es so einfach Remarketing vernünftig einzusetzen:

  • Aktivieren Sie Frequency Capping. Das Werbemittel wird pro Besucherin und Tag nicht öfter als beispielsweise dreimal angezeigt.
  • Zeigen Sie den Mitgliedern der Remarketing-Liste („Alle Website-Besucher“) ein anderes Werbemittel. Eventuell eines mit besonderen Angeboten.
  • Nehmen Sie das unsichtbare Remarketing Etikett wieder weg, wenn die Kundin eh schon gekauft oder den Kundenbereich betreten hat. Oder stellen Sie ihr zumindest ein Zusatzprodukt vor, das das gekaufte Produkt wesentlich ergänzt oder aufwertet.
  • Lassen Sie ein wenig Zeit verstreichen zwischen Website-Besuch und Anzeige der Werbemittel, wenn das bei den Remarketing-Optionen möglich ist. Die Kundin soll ja positiv an ihren Besuch der Website erinnert werden. Bereits eine Minute nach dem Website-Besuch bereits die entsprechende Werbung zu sehen, das kann nur ungut wirken.

Remarketing kann für beide Seiten, Konsument und Unternehmen, prinzipiell ein Segen sein. Stupides Dauerfeuer aus allen Rohren bringt Remarketing dagegen in Verruf. Das geht doch besser.

Update: Lesen Sie zum Thema auch den Artikel von Tania Kocher (contentcook).

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Heinz Duschanek
Heinz Duschanek

Heinz Duschanek hat 2003 die Online-Marketing Agentur E-Werkstatt gegründet. Da er vorher auch beim Radio gearbeitet hatte (Radio CD International, Ö1, Ö3), freut er sich jetzt ganz besonders über die Richtung, die das Online-Marketing nimmt. Denn das liefert einen Vorwand dafür, viele elektrischen Geräte und Gadgets rund um Audio und Video anzuschaffen.

Daneben interessiert sich Heinz auch für Tango Argentino, Lindy Hop, Wing-Tsun, Boxen, (Jazz-/Blues-)Gitarre. Und er betreibt den Podcast "Cabeceo - Gespräche über den Tango Argentino" (cabeceo.at) sowie den Onlineshop shop.cabeceo.at.

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